„Was ist die größte Herausforderung in Ihrer Amtszeit?“, fragt Fiona Dietz und blickt gespannt nach vorne in Richtung Pult. Dort steht Marcus Schaile und muss nicht lange überlegen: „Was mich am meisten fasziniert und gleichzeitig herausfordert: Es gibt jeden Tag etwas Neues. Es passiert etwas mit den Wildschweinen. Dann funktioniert die Kläranlage nicht. Ein Anruf kommt herein, dass die Abitur-Abschlussfeier terminiert werden soll. Außerdem sind wir als Stadt Träger der Grundschulen. Das alles ist super interessant! Als Bürgermeister ist man der Einzige, der vor Ort etwas gestalten kann! Das macht riesigen Spaß! Auch die Abstimmung mit dem Stadtrat!“
Doch nicht nur die Frage von Fiona Dietz weckte am 17. Juni 2025 das Interesse der 18 Schülerinnen und Schüler aus der Klasse 8y am Johann-Wolfgang-Goethe-Gymnasium Germersheim, sondern viele weitere Fragen, die dem Germersheimer Bürgermeister innerhalb von etwa 60 Minuten im Klassenzimmer gestellt wurden.
Johannes Helm wollte wissen, ob Marcus Schaile trotz seiner Faszination für seinen Beruf auch Stress habe. Der Germersheimer Bürgermeister riet dazu, zwischen positivem und negativem Stress zu unterscheiden. Als Bürgermeister sei er 24/7 im Dienst, aber er habe sehr gerne 15 unterschiedliche Termine und arbeite im Normalfall 50 bis 60 Wochenstunden. Die sozialen Kontakte seien zwar sehr stark eingeschränkt, er empfinde seine Situation aber als klasse.
Ob er nochmals antreten würde, wenn er dürfte, brachte Vito Bohsung ins Spiel, woraufhin der Bürgermeister betonte, dass die Altersgrenze, mit der man in Rheinland-Pfalz nicht mehr kandidieren dürfe, zu früh komme. Mit 65 Jahren könne man gut nochmals zur Verfügung stehen. Für das Amt eines Landrats oder das Mandat eines Abgeordneten zu kandidieren habe er abgelehnt. Das Bürgermeisteramt sei der beste Job überhaupt.
Welches Thema ihn derzeit am meisten umtreibe, wollte Emilia Roth wissen. Der Haushalt müsse genehmigt werden, bekräftigte Marcus Schaile. Man habe Kindertagesstätten geplant und beim Klimawandel sei Germersheim gut aufgestellt. Man setze auf Straßen mit Bäumen und auf Shared Spaces.
Alicia Rund erkundigte sich nach dem bedeutendsten Schritt in Marcus Schailes Karriere. Der 62-jährige CDU-Politiker antwortete, er habe sein Hobby zum Beruf gemacht. Nach einem BWL-Studium sei er im Alter von 28 Jahren gefragt worden, ob er für den Stadtrat kandidieren wolle. Er habe dann mit dem Slogan „Vote Schaile!“ Wahlkampf gemacht und die Wahlwerbung zuvor mit dem Nadeldrucker angefertigt. 2001 habe er den Wahlkampf für Bürgermeister Hänlein geleitet und sei danach Beigeordneter geworden. 2009 sei er dann selbst zum Bürgermeister gewählt worden. Alicia Runds Nachfrage hinsichtlich Vorbildern in der Politik beantwortete der Bürgermeister damit, dass es niemanden gebe. Die Diskussion über Fußstapfen sei Quatsch. Man müsse seine eigenen Fußspuren hinterlassen.
Vito Bohsung erbat sich Auskunft, ob die Festungsanlage Germersheims eine Ausbildungsstätte werde, wenn die Wehrpflicht wieder eingeführt würde. Marcus Schaile bekräftigte, dass er eine Wiedereinführung richtig fände. Die Überlegung von Verteidigungsminister Boris Pistorius, einen freiwilligen Grundwehrdienst zu unterstützen, werde nicht funktionieren. In der Südpfalzkaserne könnten bis zu 1200 Grundwehrdienstleistende aufgenommen werden.
Ein AfD-Verbot finde er nicht gut, unterstrich der Kommunalpolitiker, als er von Fiona Dietz danach gefragt wurde. Die AfD würde sich in diesem Fall nur umbenennen. Die Nachfolgepartei habe dann einen Märtyrerstatus. Die etablierten Parteien hätten in Berlin und Mainz versagt. Viele Gesetzesentwürfe, z.B. das Heizungsgesetz, würden vom normalen Bürger nicht verstanden. Stattdessen müsse Verantwortung übernommen und eine geradlinige Politik betrieben werden, die die Bevölkerung nachvollziehen könne. Man müsse die Menschen faszinieren, begeistern und mitnehmen. 2017 habe er im Bürgermeisterwahlkampf 2000 Hausbesuche in Germersheim durchgeführt, 2025 seien es – ohne Gegenkandidaten – immerhin 1000 gewesen. Bei der E-Mobilität gebe es einen Zwang. Auch mit Wasserstoff werde man niemals heizen. Das sei eine blödsinnige Diskussion. Es sei ein Problem alle Kernkraftwerke aufgegeben zu haben. Auf Fiona Dietz´ Einwand, in Schweden und Dänemark funktioniere die E-Mobilität doch auch und es gebe auch genügend Ladesäulen, man müsse die Chance nur nutzen, erwiderte Marcus Schaile, er habe nichts gegen E-Mobilität, sie werde nur nicht angenommen. Die Ladesäulen seien da, die Nachfrage nicht. Mit dem E-Auto sei man weniger flexibel. Er selbst sei zwar im E-Auto eines Freundes zum Konzert von Imagine Dragons nach Zürich gefahren und die Batterie habe gereicht. Es habe 25 Minuten gebraucht, um sie zu laden. Er selbst fahre aber ein dieselbetriebenes Auto. Er verstehe nicht, dass E-Autos zum gleichen Preis angeboten werden. Sie müssten weniger kosten. An ihnen könne nichts kaputtgehen. Ihn störe der Zwang sich unbedingt ein E-Auto kaufen zu müssen. Außerdem fahre er gerne über 200.
Hier hakte Johannes Helm ein und befragte den Bürgermeister nach seiner Meinung zu einem Tempolimit. „Ganz klar dagegen!“, positionierte sich Marcus Schaile eindeutig: „Ich höre gerne AC/DC und ´Highway to Hell´. Aber wo kann man in Deutschland noch schnell fahren?“ Es müsse wieder gelten: Freie Fahrt für freie Bürger!
Ela Catak erkundigte sich, ob ein Jugendparlament für Germersheim eine gute Idee sein könne, um mehr Jugendliche für Politik zu begeistern. Marcus Schaile gab sich diesbezüglich skeptisch. Der Erfolg bei einem Versuch sei sehr mäßig gewesen. Aber in den Jugendorganisationen der Parteien könne man sich gut einbringen. Für Schülerinnen und Schüler gebe es in seiner Partei zudem die Schüler-Union, für die Studierenden den RCDS.
Ela Türks Frage nach der Einführung eines Paritätsgesetzes, also der Besetzung von Parteilisten und Ämtern mit ähnlich vielen Frauen und Männern, wie sie in vielen anderen Staaten existieren, beantwortete der Bürgermeister mit einem klaren Nein. Von Quoten halte er nichts und auch nicht davon, dass Menschen nur gewählt würden, weil sie Frauen sind. Bei ihm würden Frauen genauso bezahlt wie Männer.
Wie er die aktuelle Migrationspolitik beurteile, wollte Fiona Dietz wissen. „Sehr schwierig!“, antwortete Marcus Schaile: „Wir müssen und wollen alle versorgen, aber es geht nicht, dass Deutschland alle aufnimmt. Angela Merkels „Wir schaffen das!“ war europäisch gemeint, nicht auf Deutschland bezogen.“
Die Stadt habe er komplett umgewandelt, betonte der Bürgermeister, als er von Mia Gadinger auf die Umsetzung seiner Ziele für Germersheim angesprochen wurde. Die Fronte Lamotte und das Fachmarktzentrum inmitten der Stadt seien Beispiele, aber auch die Integrationsleistungen in den Kindertagesstätten.
Das Goethe-Gymnasium bedankt sich bei Bürgermeister Schaile für seinen Besuch. Die Veranstaltung war Teil des vom Land Rheinland-Pfalz initiierten Demokratietags. Im Zuge dessen besuchte Lingenfelds Ortsbürgermeister Markus Kropfreiter (SPD) zwei achte Klassen, während die 9. Klassen von der Jugend-debattiert-AG für politische Diskussionen begeistert wurden. Die 10. Klassen fuhren in die Gedenkstätten der ehemaligen Konzentrationslager Natzweiler-Struthof und Dachau. Ein Besuch im EU-Parlament stand für die MSS 11 auf dem Programm, während die MSS 12 das Hambacher Schloss besichtigte oder die Demokratie auf künstlerische Weise erschloss.
Dirk Wippert