„Alice Weidel ist leider intelligent!“ – Autorin Gunda Trepp informiert und mahnt am GGG

„Wie stehen Sie zur AfD?“, fragt Mia Hoffmann. Die Schülerin der 10a blickt voller Spannung nach vorne in Richtung Pult. Dort steht heute jedoch nicht ihre Geschichtslehrerin, sondern eine 64-jährige Autorin und Journalistin: Gunda Trepp. Die Witwe des letzten Landesrabbiners in Oldenburg im Nationalsozialismus, Leo Trepp, zögert nicht mit ihrer Antwort: „Die AfD ist muslimfeindlich, deswegen aber nicht judenfreundlich: Sie will das koschere Schlachten abschaffen. Die AfD ist gefährlich für die Demokratie! Alice Weidel ist leider intelligent! Sie schafft es, alles populistisch zu wenden! Björn Höcke ist kein charismatischer Mensch. Diese Mischung aus „intelligent“ und „charismatisch“ gibt es glücklicherweise in der AfD noch nicht. Ich habe aber Angst vor den nächsten Wahlen in Thüringen und Sachsen!“

Aber nicht nur diese Ausführungen der in Berlin und San Francisco lebenden Rechtswissenschaftlerin fesselten die 25 Schülerinnen und Schüler des Leistungskurs Geschichte (MSS 12) sowie der Klassen 10a und 10y. Die 2001 zum Judentum konvertierte ehemalige Wirtschaftsredakteurin beantwortete am 4. Juli 2023 am Johann-Wolfgang-Goethe-Gymnasium Germersheim viele weitere Fragen und vermochte es zudem innerhalb der 70-minütigen Veranstaltung sehr viel Wissenswertes über ihre Religion zu vermitteln.

Yllka Sinani (10a) wollte wissen, ob es schwer gewesen sei, die Regeln des Judentums zu lernen, wenn man diese nicht vor Anfang an erlebt hat. Die Gründerin der Leo-Trepp-Stiftung, deren Ziel es ist, das Wissen über jüdisches Leben und jüdische Ethik in der Bevölkerung zu vertiefen, verdeutlichte, dass sie einfach mit ihrem Mann, der immer vor einem neuen Antisemitismus gewarnt habe, mitgelebt und so beispielsweise den Sabbat eingehalten habe. Das Hebräische sei schwer zu erlernen gewesen.

Ob es Gründe gegeben habe, Jüdin zu werden, erfragte Finia Wienert aus der 10a, woraufhin die ehemalige Wirtschaftsanwältin unterstrich, dass sie mit Jesus zunächst nichts anfangen konnte. Nach dem Tod ihres Mannes 2010 sei Jesus jedoch spannend geworden. Sie stelle sich ihn als Anarchisten vor, der die starre Haltung aufgebrochen habe. Das Konvertieren sei für sie zuerst keine Option gewesen. Sie sei ja auf der Täterseite geboren. Ihr Mann, der während des Nationalsozialismus im Konzentrationslager Sachsenhausen interniert war, habe aber gesagt, dass das Judentum nicht nur die Shoa sei, sondern so viel mehr sei. Es könne etwas Positives auslösen.

Fabian Werner aus der 10y erkundigte sich nach dem Unterschied zwischen den Ultraorthodoxen und der heutigen Jugend, woraufhin Gunda Trepp zunächst ausführte, dass ihr Mann zwar tief religiös gewesen sei, aber zugleich modern. Manches sei einfach nicht mehr zeitgemäß. In ihrer Synagoge in Berlin stille sie ihr großes Bedürfnis nach Spiritualität. Sie genieße es, dass das Judentum nicht missioniere.

Auf die Frage von Finia Wienert, wo sie ihre Heimat sehe, antwortete die Journalistin, diese sei dort, wo ihr Mann sei. Sie habe in Norddeutschland ihre Wurzeln. Ihr Mann, der nach 1945 in Deutschland gelehrt habe und dem ein interreligiöser Dialog wichtig gewesen sei, sei aber in Amerika begraben.

Fabian Werner erbat sich Auskunft darüber, ob die in Oldenburg geborene Autorin Cartoons wie „Antisemitismus für Anfänger“ gut fände, woraufhin Gunda Trepp meinte, sie finde das witzig, denn das trage eher zur Aufklärung bei.

Gunda Trepp selbst ergriff die Initiative, indem sie die Schülerinnen und Schüler fragte, warum es Antisemitismus überhaupt gebe. Eine Verschwörungstheorie sei es, dass die Juden die Geldgeschäfte beherrschten. Vielmehr sei der Geldverleih früher nur bei Juden möglich gewesen, weil die Christen keine Zinsen nehmen durften. Simon Köhler aus der 10a fügte hinzu, dass die Juden bereits im Mittelalter für die Pest verantwortlich gemacht wurden. Frau Trepp ergänzte, dass lange Zeit auch geglaubt wurde, Juden hätten ein Horn, seien Christusmörder und Brunnenvergifter. Außerdem sei behauptet worden, sie schlachteten Christenkinder. Hitler habe den Antisemitismus nicht erfunden, sondern eine Stimmung aufgegriffen und diese demagogisch ausgeschlachtet.

Nach Gunda Trepps Frage, wie sich Antisemitismus äußere, erhielt sie die Antworten „Vorurteile“ (Simon Köhler), „verbale Angriffe“ (Finia Wienert) und „körperliche Angriffe“ (Luca Keiber, MSS 12). Trepp unterfütterte, 2022 habe es 2480 Angriffe auf Jüdinnen und Juden gegeben, darunter 15 schwere und acht mit schwerer Körperverletzung. Auch jüdische Schülerinnen und Schüler würden drangsaliert und sich nicht mehr als Juden zu erkennen geben. Sie selbst habe einen Davidstern getragen, bis sich eine Frau in Berlin von ihr abgewandt habe, als sie ihn sah. Jüdische Zeitungen würden nur noch in Umschlägen zugestellt. Jüdische Jugendliche lüden zu ihrer Bar Mizwa aus Angst vor Bedrohung keine Gleichaltrigen mehr ein.

Gunda Trepp attestierte Simon Köhler, eine „Super Antwort!“ gegeben zu haben, nachdem er auf ihre Frage, woran man überhaupt einen Juden erkenne, passenderweise mit „An gar nichts!“ reagierte. Auch war es ihr ein Anliegen mit Zahlen, Daten und Fakten über das Judentum zu informieren, beispielsweise die Größe der jüdischen Gemeinde in Deutschland (derzeit etwa 95.000). Viele jüdische Läden, Schulen und Kindergärten gebe es vor allem in Berlin und Frankfurt. Es gebe viele liberale Juden, die nicht alle religiösen Vorschriften einhielten. Im heutigen Israel regiere eine sehr rechtslastige Regierung.

Das Goethe-Gymnasium blickt auf eine sehr faszinierende Veranstaltung zurück, die für den Geschichte-Leistungskurs auch als optimale Vorbereitung auf die bevorstehende Fahrt ins ehemalige Konzentrationslager Auschwitz diente, und bedankt sich bei Frau Trepp für ihren Besuch sowie beim ebenfalls anwesenden Jan Hendrik Winter aus dem rheinland-pfälzischen Bildungsministerium für die hervorragende Organisation.

Dirk Wippert

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