Bundestagswahl musste am 11.2.2024 teilweise wiederholt werden – GGG zur Urteilsverkündung im Bundesverfassungsgericht

„Ich fühle mich heute als Gewinnerin!“, erläutert Canan Bayram. Die 57-jährige Politikerin von Bündnis ´90 / Die Grünen steht nach dem Urteilsspruch im Flur des Bundesverfassungsgerichts vor den zwölf Schülerinnen und Schülern aus den Jahrgangsstufen 10, 11, 12 und 13, die einen Halbkreis um sie bilden und gibt sich selbstsicher, nach 2017 und 2021 ihren Berliner Bundestagswahlkreis Friedrichhain – Kreuzberg – Prenzlauer Berg Ost auch bei der nun angeordneten Wiederholungswahl 2024 zu gewinnen: „Ich habe gerechnet. Die anderen Kandidatinnen und Kandidaten können mich eigentlich nicht mehr einholen. Dennoch werde ich jetzt nach Berlin fahren und wieder Plakate kleben.“ Auf die Frage, ob sie sich über das Urteil freue, erwidert sie, dass die CDU/CSU-Fraktion mit ihrer Klage angestrebt habe, eigentlich in viel mehr Bezirken die Bundestagswahl wiederholen zu lassen. Nun habe das Bundesverfassungsgericht aber geurteilt, dass in 455 nochmals gewählt werden soll. Das seien nur unwesentlich mehr als die 431 Wahlbezirke, die die Ampelregierung vorgeschlagen hatte. Wie Canan Bayram ergeht es nun vielen Berliner Politikerinnen und Politiker, die am 11. Februar 2024 erneut auf den Wahlzetteln stehen, weil am eigentlichen Wahltag am 26. September 2021 chaotische Zustände in und vor den Wahllokalen herrschten, Wahlzettel fehlten, Wahllokale zu spät eröffnet oder – aufgrund des Andrangs – zu spät geschlossen wurden, während im Fernsehen schon Hochrechnungen zu sehen waren.

 

Canan Bayram (Bündnis´90 / Die Grünen)

 

Aber nicht nur die aufschlussreiche Unterhaltung mit Canan Bayram faszinierte die Jugendlichen des Johann-Wolfgang-Goethe-Gymnasiums Germersheim am 19. Dezember 2023 in Karlsruhe, sondern auch die Verkündung des Urteils sowie die ausführliche Begründung, die von Vizepräsidentin Doris König verlesen wurde, bevor sie das Wort Bundesverfassungsrichter Peter Müller gab. Der ehemalige saarländische Ministerpräsident begründete zur Klage über die Wiederholung der Bundestagwahl 2021 im Bundesland Berlin letztmals ein Urteil, bevor er sich nach zwölf Jahren am obersten deutschen Gericht zwei Tage später in den Ruhestand verabschiedete, ein bedeutender Moment, dem die zwölf Schülerinnen und Schüler beiwohnen durften und nicht nur das: Nach dem Urteil durften sie sich auch mit dem prominenten Christdemokraten unterhalten und erfuhren, wie er sich bei seinem letzten Auftritt gefühlt habe.

 

Peter Müller (Bundesverfassungsrichter)

 

Vor der Urteilsverkündung hatten die Schülerinnen und Schüler zudem die Chance sich mit den führenden Klägern zu sprechen: Ansgar Heveling und Patrick Schnieder waren für die CDU/CSU erschienen und erläuterten, ihre Beweggründe für die Klage, die sie auch darauf gründeten, dass die 2021 zeitgleich abgehaltene Berliner Abgeordnetenhaus 2023 komplett wiederholt werden musste. Durch den Urteilsspruch, welcher über den Ampelvorschlag hinausging, fühlten sie sich bestätigt.

 

Ansgar Heveling und Patrick Schnieder (beide CDU)

 

Einen ganz besonderen Effekt hätte eine Komplettwiederholung für die Partei Die Linke haben können, da diese 2021 nur aufgrund von drei Direktmandaten in Fraktionsstärke in den Bundestag einziehen konnte. Hätten dadurch Gregor Gysi oder Gesine Lötzsch bei der Wiederholungswahl ihr jeweiliges Mandat verloren, wäre Die Linke von ursprünglich 39 Mandaten auf gerade einmal zwei Mandate geschrumpft. Da in deren Wahlkreisen jedoch nur wenige Wahlbezirke erneut wählen müssen, ist ein Verlust der Sitze nicht zu erwarten, worüber sich die ehemalige Berliner Landesvorsitzende und jetzige stellvertretende Parteivorsitzende Katina Schubert sehr erleichtert zeigte. Vor dem Urteil teilte die Linken-Politikerin den Schülerinnen und Schülern des GGG in einem kurzen Gespräch mit, dass sie in der Vergangenheit schon oft eine Vorahnung gehabt habe, wie das Bundesverfassungsgericht entscheiden werde, diesmal aber könne alles passieren.

 

Katina Schubert (Die Linke)

 

Nach der neunzigminütigen Urteilbegründung und solch interessanten Gesprächen mit den Politikerinnen und Politikern durfte am Ende der Veranstaltung auch Frank Bräutigam nicht fehlen: Auch mit dem ARD-Rechtsexperten tauschten sich die Schülerinnen und Schüler aus und lobten ihn, für seine stets unaufgeregte und sehr verständliche Erläuterung der komplexen Urteilsverkündungen am Bundesverfassungsgericht.

 

ARD-Rechtsexperte Frank Bräutigam

 

Sitzungssaal des Bundesverfassungsgerichts

 

Wand der ehemaligen Richterinnen und Richter des Bundesverfassungsgerichts

 

Zuschauerplätze

  

Das Schülerinnen und Schüler des Goethe-Gymnasiums können auf einen sehr abwechslungsreichen Tag in der badischen Hauptstadt zurückblicken, der am Abend noch damit gekrönt wurde, dass sie auch in der Tagesschau zu sehen waren.

Dirk Wippert

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