„Was wollen Sie als neu gewählter Landrat tun, um den schlechten Zustand des öffentlichen Nahverkehrs im Landkreis Germersheim zu verbessern?“, will Marius Thomas wissen. Gespannt blickt der Achtklässler nach vorne Richtung Pult. Dort steht Martin Brandl: „Wir müssen differenzieren. In den letzten Jahren wurde schon enorm viel erreicht: Die Straßenbahn Wörth-Germersheim wurde ausgebaut und die S-Bahn Rhein-Neckar wurde miteinbezogen, aber landesweit und bundesweit gibt es ein riesiges finanzielles Defizit. Landes- und Bundesregierung müssen Gelder zur Verfügung stellen. Es muss unbedingt eine Taktverdichtung geben. Außerdem müssen wir die Einstiegshöhen für Rollstuhlfahrer verändern. Eine radikale Idee für den ÖPNV hätte ich auch: Es sollte nur noch Tages- und Monatstickets geben. Aber das geht nur mit viel Geld vom Bund. Darüber hinaus möchte ich ein kostenloses Deutschlandticket für alle Schüler, Auszubildenden und Studenten!“ Auf die Nachfrage, wie er die Entscheidung der CDU Hessen, das Deutschland-Ticket abzuschaffen, bewertet, sprach sich der Landtagsabgeordnete klar für die Beibehaltung aus.
Nicht nur die Verkehrspolitik bewegte die zwölf Schülerinnen und Schüler aus der Klasse 8y des Johann-Wolfgang-Goethe-Gymnasiums Germersheim am 28. Juni 2024 im Gespräch mit dem Parlamentarischen Geschäftsführer der CDU-Landtagsfraktion, sondern auch zahlreiche weitere Themen.
Florian Vorpahl erkundigte sich prinzipiell zu Brandls Zielen und Plänen für den Landkreis Germersheim. Brandl rückte vor allem den baulichen Zustand der Schulen und den Gesundheitsschutz in den Fokus. Die ärztliche Versorgung sei angesichts immer älter werdender Ärztinnen und Ärzte ein ganz großes Thema, ebenso die Verwaltung, die digitaler und kundenfreundlicher aufgestellt werden müsse.
Mazen Hamdan fragt nach Brandls Motivation und Vorbildern, woraufhin dieser die Liebe zur Heimat und die Tätigkeit im Rülzheimer Gemeinderat mit 18 Jahren nannte. Sein Hobby, das Interesse für Politik, habe er zum Beruf gemacht. Ein Vorbild habe er nicht.
Die Stärke der AfD im Landkreis Germersheim thematisierte Valentin Steiner. Martin Brandl erklärte diese mit der bundesweiten Enttäuschung mit den regierenden Parteien und damit, dass angekündigte Reformen nicht umgesetzt würden. Die Ampel-Regierung habe mit der Zeitenwende eine Modernisierung der Bundeswehr, die Verteidigungsfähigkeit, eine Wehrpflicht und zusätzliche Rekruten versprochen. Außerdem habe sie mit dem Deutschlandpakt die Verwaltung modernisieren wollen. Es seien aber nur wenige Planungsbeschleunigungen erfolgt. Die illegale Migration mit Abschiebungen von Menschen, die kein Bleiberecht haben, zu bekämpfen, sei nicht konkret genug umgesetzt worden. Der Erfolg der AfD hänge aber auch mit der Komplexität unserer Zeit zusammen. Die Bürgerinnen und Bürger hätten gerne eine einfache Lösung, beispielsweise weniger Migranten. Dies sei aber viel zu einfach gedacht. Im Landkreis Germersheim gebe es sehr viele Industriearbeiter, die früher SPD gewählt hätten, heute aber aufgrund von Angst vor Zuwanderung auf die AfD setzten.
Martin Brandls Meinung zum Thema, das Wahlrecht auf 16 Jahre zu senken, wollte Lia Kunz erörtert wissen. Der Landtagsabgeordnete plädierte dafür, dieses an die Volljährigkeit gekoppelt zu lassen, persönlich sehe er das aber nicht dogmatisch.
Die Gefahr eines immer stärker werdenden Chinas thematisierte Valentin Steiner. Brandl warnte hierbei davor, China mit Demokratien gleichzusetzen. Der Staat sei eine Diktatur, der Einzelne habe nichts zu entscheiden, es gebe keine Mitbestimmung, keine Einspruchsmöglichkeiten. China habe mittlerweile eine Position, wie sie die USA gehabt hätten. Die Menschen seien aber nicht frei. Er warnte vor wirtschaftlichen Abhängigkeiten von China, z.B. bei Schmerzmitteln.
Benjamin Luksch brannte der stockende Glasfaserausbau in Rülzheim auf den Nägeln. Hierbei bedauerte Martin Brandl, dass sich die beauftragte Firma übernommen habe, er aber die Hoffnung auf einen baldigen Fortschritt habe.
Lia Kunz wollte wissen, ob es Sinn ergebe, einen eigenen Fahrer zu beschäftigen, der den Landrat zu seinen Terminen bringt, woraufhin der künftige Landrat unterstrich, dass dies innerhalb des Landkreis sicherlich zu hinterfragen sei, aber er auch zu zahlreichen Terminen außerhalb müsse. Die Zeit könne er dann dort zum Arbeiten nutzen. Prinzipiell sei er für das Reisen per Bahn, doch hörten dort bei Handygesprächen zu viele Leute mit, wenn es um vertrauliche Gespräche gehe.
Valentin Stein erkundigte sich, welche Koalition denn nach der nächsten Bundestagswahl wahrscheinlich sei. Martin Brandl hielt hier eine Deutschland-Koalition aus CDU/CSU, SPD und FDP für denkbar. Die von Marius Thomas ins Spiel gebrachten Neuwahlen erachtete Brandl angesichts der schlechten Umfragewerte der Ampel als unwahrscheinlich. Fred Altmanns Frage, ob die CDU lieber mit Die Linke als mit der AfD regiere, beantwortete Brandl damit, dass Die Linke von einigen Westdeutschen als nicht ganz so schlimm empfunden werde, da es ja auch einen zuverlässigen Ministerpräsidenten Bodo Ramelow in Thüringen gebe, aber die Vor-Vorgänger-Partei ja die Diktaturpartei SED in DDR war. Florian Vorpahl wollte mehr über mögliche Koalitionen der CDU mit dem BSW wissen. Hier führte Brandl aus, dass die Bürgerinnen und Bürger frustriert seien. In Koalitionen müsse man Kompromisse schließen. Diese würde aber oftmals nicht mehr geschätzt.
Lia Kunz wies auf die Problematik hin, dass es immer mehr Parteien in Regierung und Parlamenten gebe. Diesen Ball griff Martin Brandl auf und überlegte, ob es eine Möglichkeit sein könnte, künftig die 5%-Hürde auf 7,5% oder 10% zu erhöhen oder wie in Griechenland einen Bonus für die meistgewählte Partei einzuführen. Man brauche stabile Verhältnisse. Das sei besser als jede kleine Meinung wie in der Weimarer Republik abzubilden. Die eigene Position werde bei zu vielen Koalitionspartnern nicht mehr erkennbar.
Der stellvertretende Schulleiter Martin Stein erkundigte sich nach dem Tagesablauf und den wichtigsten Themen im Landratswahlkampf, woraufhin Martin Brandl ausführte, dass Wahlkämpfe Hochfeste der Demokratie seine. Input sei vor allem von Leuten gekommen, die wüssten, um was es geht. Sein Tagesablauf sei total voll. Pro Woche habe er 100 Beiträge in den Sozialen Medien gepostet. Nach einer Sommerpause werde er als Landrat seine Beiträge wieder vermehren, um transparent zu sein. Mazen Hamdan fragte nach, wie sich ein solch voller Tagesablauf mit der Work-Life-Balance vereinbaren lasse, woraufhin der 43-jährige Rülzheimer einräumte, dass dies sehr problematisch sei.
Die Erdkundelehrerin Antje Höfling-Koppenhöffer, die am GGG die Arbeitsgemeinschaft Goethe Goes Green leitet, erkundigte sich, ob der Landkreis Germersheim auf Starkregenereignisse wie im Ahrtal genügend vorbereitet sei. Der im Wahlkreis Wörth direkte gewählte Landtagsabgeordnete unterstrich, wie knapp die Stadt Wörth im Juni einer Katastrophe entgangen sei. Zwar sei die Prävention Sache der Kommunen. Sein Ziel sei aber eine deutlich bessere Vernetzung der einzelnen kommunalen Konzepte.
Wie wichtig den Achtklässlerinnen und Achtklässlern das Thema Verkehrspolitik ist, zeigte sich auch in dem Beitrag von Jonas Laetsch, der die Situation mit dem Busverkehr in Schwegenheim beklagte. Der Diplom-Betriebswirt empfahl hier den Blick ins nahegelegene Neustadt an der Weinstraße, in der das Konzept „Mobility on Demand“ sehr erfolgreich sei: „Das wird die Zukunft sein, mit Ruftaxis nach Bedarf.“
Der stellvertretende Schulleiter Martin Stein warf ein, dass man folglich auch – in Absprache mit der Realschule und den Busunternehmen – über spätere Startzeiten des Unterrichts sprechen könne. Diesbezüglich zeigte sich Brandl aufgeschlossen.
Noah Dojan thematisierte die vielen Streiks der Busunternehmen, die auch die Mobilität der Schülerinnen und Schüler im Landkreis Germersheim massiv betreffen. Hier sah der ab Dezember 2024 amtierende Nachfolger von Landrat Fritz Brechtel die Landesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie und Mobilität, Katrin Eder (Bündnis ´90 / Die Grünen), in der Verantwortung. Problem sei die immer noch fehlende Indexierung hinsichtlich der Bezahlung von Busfahrerinnen und Busfahrer. Diese gebe es in anderen Bundesländern schon lange. Auf Druck der CDU habe die Landesregierung dieses Vorhaben nun auf 2025 vorgezogen.
Das Goethe-Gymnasium bedankt sich bei Martin Brandl für seinen Besuch und blickt auf eine sehr gelungene und kurzweilige Veranstaltung zurück.
Dirk Wippert