„Wer ist Ihr Favorit als SPD-Kanzlerkandidat für die Bundestagswahl 2021?“, fragt Florian Weis. Der Elftklässler sitzt an seinem Laptop und wartet gespannt auf die Antwort von Thomas Hitschler. Der Bundestagsabgeordnete blickt interessiert in die Kamera seines heimischen Rechners und gibt eine klare Auskunft: „Eigentlich Franziska Giffey, aber die hat schon abgesagt und will vielleicht Regierende Bürgermeisterin in Berlin werden.“ Für die aktuellen Parteivorsitzenden Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans habe er bei der Mitgliederabstimmung zum Parteivorsitz jedenfalls nicht gestimmt.
Aber nicht nur die Frage bezüglich des eigenen Kanzlerkandidaten bereicherte am 10. Juni 2020 die Videokonferenz des Leistungskurs Sozialkunde (MSS 11) am Johann-Wolfgang-Goethe-Gymnasium Germersheim mit dem SPD-Politiker aus Hainfeld bei Landau, sondern auch zahlreiche weitere Debattenpunkte der zwölf Schülerinnen und Schüler.
Katharina Kirchner erkundigte sich nach Hitschlers Präferenz hinsichtlich des Kanzlerkandidaten der Unionsparteien. Dies sei noch keine ausgemachte Sache, so Hitschler. Markus Söder habe es als bayerischer Politiker ebenso schwer wie die bisherigen CSU-Kanzlerkandidaten Strauß und Stoiber. Friedrich Merz als ehemaliger Black-Rock-Aufsichtsratsvorsitzender sei der Lieblingsgegner für die Sozialdemokraten. Fabienne Rieders Frage, ob eine Spaltung der AfD bessere oder schlechtere Konsequenzen habe, entgegnete der Parlamentarier damit, dass ihm das relativ egal sei und die AfD in den Umfragen nun ohnehin bei nur noch 8% angekommen sei, ein Trend, der sich auch fortsetzen könne.
Zur SPD gekommen sei er aus Faszination für die Kanzlerschaft von Gerhard Schröder, erwiderte der 37-Jährige auf eine Frage von Florian Weis. Besonders freundschaftlich sei er Andrea Nahles verbunden gewesen. Die Art, wie sie 2019 von der Parteispitze verdrängt wurde, habe er stark kritisiert. Heute müsse die SPD ihre Erfolge besser verkaufen, gab Hitschler auf eine Frage von Dennis Hodzic zum Besten.
Nils Altmann thematisierte Hitschlers neue Aufgabe im Parlamentarischen Kontrollgremium, das die Geheimdienste kontrolliert und wollte wissen, wie er dazu gekommen sei, woraufhin Hitschler betonte, er sei von seiner Partei gefragt und dann vom Bundestag mit großer Mehrheit gewählt worden, nicht zuletzt deswegen, weil er als Mitglied des Verteidigungsausschuss eine Expertise mitgebracht habe. Die sich anschließende Frage von Fabienne Rieder, wie sich seit seiner Wahl in diese Kommission sein Alltag verändert habe, beantwortete Hitschler damit, dass noch nicht einmal seine engsten Mitarbeiter darüber Auskunft erhielten und das Wissen, welches er sich durch die im Gremium ausliegenden Akten aneigne, tatsächlich streng geheim sei. Paul Wagner fragte hieraufhin, welches Amt er denn eines Tages erreichen wolle. Hitschler unterstrich, dass er bislang kein Amt angestrebt habe und es immer sein größter Wunsch gewesen sei, die Südpfalz im Bundestag vertreten zu dürfen.
Hitschler riet – auf Frage von Emily Berge – stark dazu, sich die Corona-Tracing-App herunterzuladen. Er vertraue dem Innen- und Gesundheitsministerium, dass diese alle datenschutzrechtlichen Bedenken zerstreuten. Unglücklich empfand er die Äußerungen von Umweltministerin Svenja Schulze, welche den Landwirten vorgeworfen hatte, einen beträchtlichen Anteil am Artensterben zu haben, wonach sich Jonas Huber erkundigt hatte.
Alec Daudert kam auf die Polizeigewalt zu sprechen, welche seit dem Tod George Floyds nicht nur in den USA breit diskutiert wurde. Hitschler nahm hierbei die deutschen Behörden ausdrücklich aus. Lea Schüler hakte nach und lenkte das Gespräch auf Saskia Eskens Idee, es gebe einen strukturellen Rassismus unter den Polizeibeamten, was Hitschler deutlich verneinte.
Victor Kusterer ging auf Donald Trumps Forderungen nach einem höheren deutschen Verteidigungshaushalt ein und bekam von Hitschler die Antwort, dass er hier nicht zustimme. Ursula von der Leyen habe als Verteidigungsministerin viele Reformen angestoßen, die Annegret Kramp-Karrenbauer nun nicht konsequent weiterverfolge. Sena Engins Frage, wer denn aus den Reihen der CDU/CSU ein besserer Verteidigungsminister sei, beantwortete Hitschler damit, dass er mit Peter Tauber, dem ehemaligen CDU-Generalsekretär und jetzigen Parlamentarischen Staatssekretär im Verteidigungsministerium, inhaltlich nicht immer einer Meinung sei, dass dieser aber von der Truppe sehr geschätzt werde.
Zum Abschluss bekräftigte Thomas Hitschler, dass die Leistungskursschüler/innen ihr großes politisches Interesse unbedingt weiterverfolgen und sich in den Dienst der Gesellschaft stellen sollten. Besonders die weiblichen Teilnehmerinnen ermunterte er, sich stärker in die Politik einzumischen.
Nach einer Stunde intensiver Diskussion kann das Goethe-Gymnasium auf eine sehr gelungene Veranstaltung zurückblicken. Bereits Ende April hatte der Leistungskurs Sozialkunde mit CDU-Politiker Thomas Gebhart, dem Parlamentarischen Staatssekretär beim Gesundheitsminister, eine Videokonferenz abgehalten, was durch die Gesprächsrunde mit Thomas Hitschler nun ideal ergänzt wurde.
Dirk Wippert