„Habe mit Krah und Bystron nichts zu tun!“ – 10a und Sozialkunde-LK erleben spannende Diskussionen im Landtag

„Wie fühlen Sie sich, in einer Partei zu sein, die in mehreren Bundesländern von den Verfassungsschutzämtern rechtsextremistisch eingestuft wird und deren Spitzenkandidaten Maximilian Krah und Petr Bystron wahrscheinlich Gelder aus Russland und China bekommen haben?“, will Finjas Schwarz wissen. Der Zehntklässler sitzt in einem Besprechungsraum des rheinland-pfälzischen Landtags und blickt gespannt nach vorne.

 

Abgeordnete (sitzend): Patrick Kunz (Freie Wähler), Peter Stuhlfauth (AfD), Sven Koch (CDU), Markus Kropfreiter (SPD) und Pia Schellhammer (Bündnis ´90 / Die Grünen)

 

Dort sitzen neben Peter Stuhlfauth auch die Fraktionsvorsitzende von Bündnis ´90 / Die Grünen, Pia Schellhammer, der Bürgermeister Herxheims Sven Koch (CDU ), der Bürgermeister Lingenfelds Markus Kropfreiter (SPD) sowie Patrick Kunz, seit 2021 Abgeordneter der Freien Wähler. Zwar beteuert der angesprochene AfD-Politiker: „Ich konzentriere mich auf die Kommunal- und Landespolitik, mit Europa habe ich weniger zu tun!“, doch beharrt der Schüler: „Sie haben doch etwas mit denen zu tun, wenn Sie in dieser Partei sind und das Ihre Spitzenkandidaten zur Europawahl waren!“ Der aus Hassloch stammende ehemalige Polizeibeamte wiederholt: „Mit Krah und Bystron habe ich nichts zu tun! Du gehst ja auch nicht aus deiner Handball-Mannschaft heraus, wenn dir deine Mitspieler nicht passen!“

Auch mit dieser Antwort gab sich der 15-Jährige aus der 10a am 13. Juni 2024 nicht zufrieden, zeigte sich jedoch – wie seine Mitschülerinnen und Mitschüler aus seiner Klasse und aus dem Leistungskurs Sozialkunde (MSS 11) am Johann-Wolfgang-Goethe-Gymnasium Germersheim – sehr erfreut über das bunt besetzte Podium, welches einen sehr guten Überblick über das politische Spektrum bot.

Von Markus Kropfreiter wollte die Elftklässlerin Sarah Bolz wissen, wie der Erfolg der AfD bei den zurückliegenden Europawahlen zu erklären sei. Der SPD-Landtagsabgeordnete gab zu, dafür keine passende Erklärung zu haben. Viele Russischstämmige wählten die AfD. Der Landkreis Germersheim habe einen hohen Ausländeranteil. Viele wüssten nicht, was hinter der AfD stecke. Auch resultiere der Erfolg aus der Schwäche der Parteien vor Ort.

Moritz Heid (MSS 11) erkundigte sich bei Markus Kropfreiter und Pia Schellhammer über die Gründe für die seines Erachtens immer strengere Proteinverordnung in der Landwirtschaft. Während Markus Kropfreiter darauf verwies kein Landwirtschaftspolitiker zu sein und diese sehr ins Detail gehende Frage daher nicht adäquat beantworten zu kennen, erinnerte die Fraktionsvorsitzende der Grünen an die hohe Nitratbelastung im Wasser. Deshalb müsse es für Düngemittel Verordnungen geben. Markus Kropfreiter führte daraufhin aus, dass Politik sehr komplex sei, immer mehrere Seiten beachtet werden müssten und es keine einfachen Antworten geben könne. Darüber hinaus beklagte der Schüler, dass die Besatzungsdichte an Puten reduziert werden muss, woraufhin Pia Schellhammer ausführte, dass dies zwar auf Bundesebene geklärt werde, aber jede Verbesserung in der Tierhaltung zu begrüßen sei. Auch die von Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir geplante Tierwohlabgabe sei sehr gut. Patrick Kunz von den Freien Wählern rief anerkennend dazu auf, dass Moritz Heid angesichts seines Detailwissens Landwirtschaftspräsident werden solle.

Den immer teurer werdenden Führerschein thematisierte Matthis Dreyer (10a) in seiner Frage an Sven Koch: „Ist das noch tragbar?“ Der CDU-Landtagsabgeordnete bedauerte dies und erklärte, dass der Preis nicht von ungefähr entstehe und der Markt diesen regele.

Die Schülersprecherin Annika Przygode (MSS 11) forderte die Landtagsabgeordneten auf zu erläutern, weshalb sie ihrer jeweiligen Partei beigetreten seien. Pia Schellhammer lieferte mit der Energiewende, dem Feminismus und der Tierhaltung eine Vielzahl an Motiven. Auch habe sie Demos gegen das Atomkraftwerk Biblis organisiert, das nahe an ihrem Wohnort lag. Patrick Kunz legte dar, zunächst in der CDU  angefangen zu haben, die damals noch konservativer gewesen sei. Im Laufe der Zeit habe er festgestellt, dass seine Positionen mit denen der Freien Wähler deckungsgleich seien. Sven Koch verwies darauf, aus einem konservativ geprägten Haushalt zu stammen. Dazu passe sein christlichen Menschenbild und das Eintreten für die Freie Marktwirtschaft. Auch das Jugendparlament in Herxheim habe ihn sehr geprägt. Markus Kropfreiter hingegen bezeichnete sich als typisches Arbeiterkind. Er habe sich bewusst für eine progressive Partei entschieden, da sich die Welt immer wieder verändere. Peter Stuhlfauth begründete seinen Eintritt in die AfD mit der Kölner Silvesternacht 2015 und den dortigen sexuellen Übergriffen durch Menschen mit Migrationshintergrund.

Jassin Popalzai und Valeria Gut (beide 10a) baten um Auskunft hinsichtlich der Absenkung des aktiven Wahlalters auf 16 Jahre. Sven Koch verwies darauf, dass man im jungen Alter auch keinen Handyvertrag abschließen dürfe. Deshalb sollte man auch noch nicht wählen dürfen. Auch wenn die CDU bei den Unter-18-Jährigen gut abgeschnitten habe, spreche eine sachliche Abwägung dagegen. Peter Stuhlfauth führte aus, in einem Hasslocher Wahllokal beobachtet zu haben, dass viele 16-Jährige das Wahlrecht nicht Anspruch genommen hätten. Er wandte sich diesbezüglich an die anwesenden Jugendlichen, die beteuerten ihre Stimme bei der Europawahl abgegeben zu haben.

Marla Wessa (10a) fragte, warum die Koalition auf Bundesebene so zerstritten sei. Markus Kropfreiter räumte ein, dass der Eindruck richtig sei und ruhiger und sachlicher diskutiert werden müsse. Es habe viele Fehler gegeben, beispielsweise das sogenannte Heizungsgesetz. Zudem könnten die Koalitionsparteien in ihren Social-Media-Auftritten noch nicht so durchdringen wie andere Parteien. Pia Schellhammer beklagte die Verschiebung nach rechts und machte dafür auch Parteien der vermeintlichen Mitte mitverantwortlich, die die Erzählung der AfD teilweise nachbeteten. Beispielsweise sei über Migrantinnen und Migranten nur noch hinsichtlich Kriminalität diskutiert worden. Daraus resultiere eine einzige Abschiebedebatte.

Hier hakte Sarah Bolz (MSS 11) ein und bat Pia Schellhammer auszuführen, wie die Grünen bei den Erstwählerinnen und Erstwählern wieder besser abschneiden könnten. Die aus dem rheinhessischen Oppenheim stammende Politikerin, die einige der Schülerinnen und Schüler bereits 2023 im Rahmen der Bundesdelegiertenkonferenz von Bündnis ´90 / Die Grünen getroffen hatten, erläuterte, dass auch ihre Partei den Jugendlichen während der Pandemie viel abverlangt hätten. Auch die Grünen hätten sich noch mehr für die junge Generation einsetzen sollen. Dennoch habe ihre Partei das zweitbeste Europawahlergebnis ihrer Geschichte erzielt. Anne Kaufhold (10a) hakte nach und thematisierte, dass die Grünen auch Wählerinnen und Wähler an neue Parteien verloren haben. Pia Schellhammer bedauerte, dass Volt viel versprochen habe und es sich leicht machen könne. Jedoch müsse man darüber nachdenken, ob man eine Kleinstpartei oder eine Partei wie die Grünen wählen wolle, die für Kompromiss- und Regierungsfähigkeit stehe.

Das Ausfallen von Bussen in Lingenfeld wollte Vivien Bauer (10a) erörtert wissen. Der Ortsbürgermeister Markus Kropfreiter erklärte, dass dies Sache der Kreisverwaltung sei und die Gemeinde hier nichts tun könne.

Burhan Güneş (10a) erinnerte daran, dass die Atomenergie nicht die Lieblingsenergie der Grünen gewesen sei. Nun wolle er wissen, wie die Fraktionsvorsitzende der Grünen zu den fossilen Energien stehe. Pia Schellhammer bedauerte, dass Deutschland so abhängig von russischem Gas gewesen sei. In einer Abwägung habe man sich gegen die gefährliche Atomenergie und für LNG-Terminals entschieden. Langfristig setze man auf möglichst keine Abhängigkeiten mehr. Das sei aber ein großer Kraftakt.

Yannick Liebau (10a) erkundigte sich bei Markus Kropfreiter, ob die Wehrpflicht wieder eingeführt werden sollte, woraufhin der SPD-Politiker bekannte, dass dies so einfach nicht möglich sei. Patrick Kunz von den Freien Wählern informierte darüber, dass er 25 Jahre bei der Bundeswehr gewesen sei. Die Kreiswehrersatzämter seien nicht mehr da. Man solle sich aber über eine andere Art von Dienst Gedanken machen, beispielsweise im Bereich Blaulicht. Der grundsätzliche Plan von Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius sei aber sinnvoll.

Anne Kaufhold (10a) fragte, wie man die Jugend angesichts der Ausführungen auf Social Media vor Rechtsextremismus schützen könne. Patrick Kunz verwies auf die Initiative Klicksave. Auch die Freien Wähler müssten in diesen Fragen noch weitervoranschreiten. Er rief dazu auf, mehr mit den Menschen auf kommunaler Ebene in Kontakt zu treten. Pia Schellhammer erklärte, dass die Algorithmen Emotionen bedienten. Es müsse Regeln und Kontrollen geben. Markus Kropfreiter hielt Regulierungen durch die Politik nicht für möglich. Er setze auf mehr Medienkompetenz in den Schulen. Peter Stuhlfauth sah seine Partei in einer Opferrolle: Die Presse sei gegen die AfD. Deshalb sei man auf Social Media ausgewichen. Besonders die Grünen hätten Wahlkampf gegen die AfD gemacht.

 

 

Vor dem sehr beeindruckenden einstündigen Abgeordnetengespräch hatten die 25 Schülerinnen und Schüler die Gelegenheit einer spannenden sechzigminütigen Plenardebatte zum Thema „Verpflichtende Sprachtests für Dreijährige“ auf Antrag der Freien Wähler zuzuhören.

Der ganztägige Besuch in der rheinland-pfälzischen Hauptstadt rundete die vielen Aktivitäten der 10a in diesem Schuljahr rund um die Europawahl hervorragend ab. Das Goethe-Gymnasium dankt der Landtagsverwaltung für einen perfekt organisierten Tag in Mainz.

Dirk Wippert

 

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