„Das geht uns alle an!“, sagt Jonas Huber, steht vor dem Rednerpult des Mainzer Landtags und spricht darüber, wie politisches Engagement allgemein und insbesondere das von Frauen gefördert werden könnte. Auf die Frage von Ulrike Nehrbass vom SWR, ob dies vorwiegend ein Problem der Frauen sei, antwortet der Elftklässler, dass auch die Männer etwas ändern müssten, damit Frauen ein politisches Engagement ermöglicht wird.
Wie Jonas Huber sahen es am 5. Dezember 2019 alle elf Schülerinnen und Schülern des Leistungskurses Sozialkunde aus der Jahrgangsstufe 11 am Johann-Wolfgang-Goethe-Gymnasium Germersheim. In Workshops entwickelten sie mit 30 weiteren Teilnehmern Strategien, wie mehr Frauen für ein politisches Engagement gewonnen werden können. Im Vordergrund standen hierbei auch Paritätsgesetze, welche Reißverschlussverfahren bei der Parteilistenaufstellung für Wahlen vorsehen und bereits vom brandenburgischen und thüringischen Landtag verabschiedet wurden. Zudem beschäftigte sich eine der Arbeitsgruppen mit parteipolitischen Vorurteilen gegenüber dem politischen Engagement von Frauen.
Die Workshopteilnehmer legten die Grundlage für die Plenumsveranstaltung, die durch Landtagspräsident Hendrik Hering (SPD) eingeleitet wurde. Ein Impulsreferat der ehemaligen Bundestagspräsidentin Rita Süssmuth (CDU), die leidenschaftlich für Paritätsgesetze und Frauenquote plädierte, faszinierte die Schülerinnen und Schüler sehr und leitete zur Präsentation der Workshopergebnisse über, innerhalb jener nicht nur Jonas Huber das Wort ergriff, sondern auch viele andere eifrige Teilnehmer. Hiernach erläuterten die frauenpolitischen Sprecherinnen der fünf Landtagsfraktionen, Katrin Rehak-Nitsche (SPD), Ellen Demuth (CDU), Sylvia Groß (AfD), Helga Lerch (FDP) und Jutta Blatzheim-Roegler (Grüne), in kurzen Stellungnahmen ihre Auffassungen.
In einer sich anschließenden Podiumsdiskussion diskutierten Hering und Süssmuth unter Leitung von Ulrike Nehrbass mit einer Vertreterin des Frauenzentrums Mainz und der Ortsvorsteherin von Mainz-Hechtsheim. Interaktiv beteiligt wurde hierbei auch das Publikum, wobei auch die Fragen von Katharina Kirchner und Sena Engin aus dem Sozialkunde-LK des GGG ausgewählt wurden, welche tradierte Geschlechterrollen und den Feminismus thematisierten.
Darüber hinaus führte der Leistungskurs ein sehr interessantes Gespräch mit der Wörther Landtagsabgeordneten Katrin Rehak-Nitsche im SPD-Fraktionssaal des Landtags. Rehak-Nitsche bestätigte, auf Nachfrage von Florian Weis, dass sie in der Stichwahl um den SPD-Parteivorsitz das Gewinnerduo Saskia Esken / Norbert Walter-Borjans gewählt habe. Insbesondere bei Olaf Scholz sehe sie nicht die zukünftige Führung der SPD. Paul Wagners Frage, ob die SPD noch als „Volkspartei“ angesehen werden könne, entgegnete Rehak-Nitsche, dass man dieses Wort zunächst definieren müsse und hierbei auch Wahlergebnisse in einem erweiterten Parteienspektrum beachtet werden müssten. Die Möglichkeit einer Minderheitsregierung, nach der sich Emily Berge erkundigt hatte, bezeichnete die SPD-Landtagsabgeordnete als spannende Variante, die in anderen Ländern zu sehr positiven Effekten geführt habe. Die Seenotrettung, die von Lea Schüler angesprochen wurde, charakterisierte Rehak-Nitsche als humanistisch. Den Flüchtlingen in ihrer Notsituation nicht zu helfen komme nicht in Frage. Fabienne Rieders Frage, wieviel Einfluss die Parteijugendorganisationen haben sollten, beantwortete Rehak-Nitsche mit der Aufbruchsstimmung, die der Juso-Vorsitzende Kevin Kühnert ausgelöst habe. Darüber hinaus forderte sie, das Wahlrecht ab 16 Jahren zu ermöglichen, was Nils Altmann erörtert wissen wollte. Victor Kusterer thematisierte die Lehrtätigkeit der AfD-Bundestagsabgeordneten Nicole Höchst im Pädagogischen Landesinstitut, woraufhin Rehak-Nitsche äußerte, dass Leute wie Björn Höcke zu radikal seien, um Schüler oder Lehrer zu unterrichten. Dennis Hodzic sprach die Vereinbarkeit von Digitalisierung und Klimaschutz an, worin Rehak-Nitsche eines der drängendsten Probleme der Zukunft sieht.
Nachdem dieselben Schülerinnen und Schüler bereits am 8. November 2019 mit den Landtagsabgeordneten Martin Brandl (CDU) und Matthias Joa (AfD) über die aktuelle politische Lage und den geschichtsträchtigen 9. November diskutiert hatten, konnte die Gesprächsserie mit den aktuellen Landtagsabgeordneten aus dem Wahlkreis Germersheim mit Katrin Rehak-Nitsche vervollständigt werden.
Die Schülerinnen und Schüler des Leistungskurses Sozialkunde konnten mit der Veranstaltung im Landtag sowie dem Abgeordnetengespräch sehr viele Eindrücke sammeln und können auf einen Tag voller politischer Bildung zurückblicken.
Dirk Wippert