„Was tun Sie als EU-Parlamentarierin oder als gesamtes EU-Parlament, um für mehr Gleichstellung der Geschlechter zu sorgen?“, fragt Meira Scheurer. Die Zwölftklässlerin blickt erwartungsvoll nach vorne zu Christine Schneider, die auf einem kleinen Podium steht. Die EU-Abgeordnete lächelt: „Wir als EU-Parlament haben die beste Frauenquote aller Parlamente, in etwa 40 Prozent. Im privaten Bereich sind wir aber manchmal noch weit davon entfernt, Geschlechterstereotypen zu überwinden. Vor ein paar Wochen habe ich mit meinem Patenkind, das nun eingeschult wird, einen Schulranzen gekauft. Die Verkäuferin meinte, dass doch ein grüner Schulranzen mit rosa Delfinen nur zu einem Mädchen passen würde und nicht zu einem Jungen. Auch als ich meinem Patenkind sagte, es solle den Schulranzen auswählen, der ihm gefällt, entschied es sich vielleicht auch aufgrund der Bedenken der Verkäuferin für einen anderen. Aber als FCK-Fan ist es schon hart, dass es dann ein Bayern-München-Schulranzen wurde!" Die 50-jährige Christdemokratin aus der Südpfalz unterstreicht, dass es gut sei, dass die jüngeren Generationen beim Thema Gleichberechtigung schon deutlich aufgeschlossener seien als ältere.
Aber nicht nur Meira Scheurers Frage an die aus Edenkoben stammende EU-Abgeordnete faszinierte die 85 Schülerinnen und Schüler der Jahrgangsstufe 12 am 11. Mai 2023 in einem Besprechungssaal des Europaparlaments in Strasbourg, sondern auch zahlreiche andere Themen.
Mairi Besau wollte wissen, was die CDU-Politikerin von den Waffenlieferungen an die Ukraine hält. Die Abgeordnete aus den Reihen der christlich-konservativen EVP-Fraktion bedauerte, dass es ihres Erachtens keine andere Möglichkeit gegeben habe und die Waffenlieferungen angesichts des Angriffs Russlands auf die Ukraine notwendig seien.
Amin Boukachabine erkundigte sich nach der Meinung zu einem unmittelbaren NATO-Beitritt der Ukraine, woraufhin die Politikerin verdeutlichte, dass dies nicht direkt, aber langfristig denkbar sei.
Julius Schwab erkundigte sich nach dem in der EVP-Fraktion herrschenden Fraktionszwang und möglichen Bedenken, gegen die Parteilinie zustimmen. Hierzu machte Christine Schneider klar, dass sie bislang keine Probleme gehabt habe, da sie in den meisten Fällen sehr mittig innerhalb der EVP-Fraktion stehe, in gesellschaftspolitischen Fragen eher fortschrittlich, in ihrem Fachgebiet Agrarpolitik zumeist konservativ. Sie habe aber keine Furcht auch einmal von der Mehrheitsmeinung in ihrer Partei abzuweichen. So sei es doch der große frühere CDU-Generalsekretär Heiner Geißler gewesen, der sie in die Politik geholt habe. Der charismatische ehemalige Bundestagsabgeordnete aus der Südpfalz habe ebenfalls häufig eigene Standpunkte vertreten. Ursprünglich sei es nicht ihr Plan gewesen sei, Politikerin zu werden. Vielmehr habe sie auf einer Veranstaltung als pfälzische Weinkönigin auf die Frage, mit wem sie einmal gerne Abendessen gehen wollte, geantwortet: „Entweder mit Tina Turner oder Heiner Geißler.“ Der einstige Bundesfamilienminister habe sie dann beim Abendessen gefragt, ob Sie sich vorstellen könne, für den rheinland-pfälzischen Landtag zu kandidieren. Nach reiflicher Überlegung habe sie entgegen der Meinung ihrer Eltern zugestimmt. 2019 sei sie dann nach über 20 Jahren im Landtag ins EU-Parlament gewechselt.
Nach der Besprechung mit Christine Schneider besuchten die Zwölftklässlerinnen und Zwölftklässler eine zwischen den einzelnen Fraktionen sehr kontrovers geführte Plenardebatte zum Thema „Ozeane, Biodiversität und Fischerei“ und konnten dabei sehen, wie unterschiedlich das EU-Parlament im Vergleich zum Deutschen Bundestag funktioniert.
Das Goethe-Gymnasium bedankt sich bei Christine Schneider für die Organisation des Parlamentsbesuchs, der Teil des vom Land Rheinland-Pfalz neu eingeführten Demokratietags war sowie bei der Staatskanzlei des Landes Rheinland-Pfalz, welche das Projekt im Rahmen der Europawochen 2023 finanziell unterstützt hat.
Dirk Wippert