Wie denn 16 Richter:innen auf nur acht Sesseln Platz fänden, fragte Vivien Borgens (10y) erstaunt bei der Besichtigung des Sitzungssaals. Die Antwort verriet einiges über die Arbeitsweise des Zwillingsgerichts: Da es zwei Senate mit unterschiedlichen Aufgaben gibt, sei der erste Senat für Verfassungsbeschwerden zuständig, während sich der zweite mit Streitigkeiten einzelner Staats- und Verfassungsorgane befasse.
Doch zu mündlichen Verhandlungen komme es nur in ca. fünf Prozent der angenommenen Verfassungsbeschwerden, während die meisten Fälle, nämlich solche ohne grundsätzliche Bedeutung, einstimmig in einer der drei Kammern, die jeder Senat mindestens bilde, schriftlich beschieden würden. Ein Beispiel für das Zusammenkommen des Plenums fand sich, als im Jahre 2000 aus Platzmangel ein Umzug nach Potsdam angedacht, dann aber durch die Plenumsmehrheit verworfen wurde.
Diese und andere interessante Einblicke erhielten die Schüler/innen, begleitet von ihren Fachlehrern Herrn Wippert und Herrn Breckheimer, im Rahmen der 90-minütigen Führungen durch den Besucherdienst. Angefangen mit der „Ahnengalerie“ oft noch lebender, aber ausgeschiedener Richter/innen im Foyer, über den Sitzungssaal, mit dem 600 kg schweren Bundesadler aus Holz von Hans Kindermann, bis hin zu dem Beratungszimmer der amtierenden Richter/innen, das, geschmückt durch Portraits der (ehemaligen) Verfassungspräsidentinnen und Präsidenten durch namhafte Künstler/innen, den unterschiedlichen Kunstgeschmack der Persönlichkeiten erahnen ließ.
Auch zur Geschichte, Zusammensetzung, Arbeitsweise, der Architektur der verschiedenen Gebäudeteile sowie zu den Richterroben, und was diese über die Emanzipation des Gerichts aussagen, gab es interessante und spannende Informationen. Zuletzt erfuhr Isa Yüksel (10b), dass die Besoldung der Verfassungsrichter/innen der von Bundesministern und Bundesministerinnen entspräche, sodass auch hier deutlich wurde, dass das Bundesverfassungsgericht den anderen Verfassungsorganen auf Augenhöhe begegnet, was angesichts der weitreichenden Auswirkungen seiner Rechtsprechung auch verständlich ist.
Anschaulich wurde die Arbeit des Gerichts nicht zuletzt durch konkrete Fälle, die meist schon im Unterricht behandelt und nun noch einmal durch Mitarbeitende des Gerichts aus deren Perspektive aufgegriffen wurden. Ein rundum gelungener Ausflug, da waren sich am Ende alle einig.
Michael Breckheimer