„Deswegen ist es wichtig, dass ihr heute hier seid!“, sagt die Rundgangsbegleiterin nahe der zerstörten Gaskammer. Sie bedankt sich für das Zuhören während einer eindrucksvollen sechsstündigen Führung durch die Gedenkstätten des ehemaligen Konzentrationslagers Auschwitz und des Vernichtungslagers Auschwitz-Birkenau. Die Polin mahnt, das Gedenken an die von den Nationalsozialisten ermordeten Menschen unbedingt aufrechtzuerhalten und keinen Schlussstrich zu ziehen.
Die 25 Schülerinnen und Schüler der Leistungskurse Geschichte können kaum glauben, was sie sehen und hören: Haare, Brillen, Schuhe, Taschen, Töpfe, die Würde, das Leben – alles wurde den Menschen genommen. Dies vor Ort nahe der heutigen polnischen Stadt Oświęcim zu erleben, ist eine Erfahrung, die den Schülerinnen und Schülern aus den Jahrgangsstufen 11 und 12 des Johann-Wolfgang-Goethe-Gymnasiums Germersheim nicht mehr genommen werden kann: Die Bilder im Kopf werden für immer bleiben.
Vom 17. bis 20. Juli 2023 war die Gruppe nach Polen gereist, um die „Hölle auf Erden“ zu sehen: Das Krematorium, der Galgen, die Zellen, die Baracken, die Stacheldrahtzäune und die Wachtürme sowie der weltberühmte Anblick der auf das Tor in Auschwitz-Birkenau zulaufenden Bahngleise sind so einprägsam, dass man sie einfach nicht mehr vergessen kann. Das Eingangstor mit der Aufschrift „Arbeit macht frei“ entfaltet beim Hindurchgehen ein grauenhaftes Gefühl, ebenso die Todeswand, vor der besonders viele Inhaftierte erschossen wurden.
Die Namensliste mit allen nach Auschwitz deportierten Menschen machte die Dimensionen des Lagers und die Einzelschicksale genauso greifbar wie die ausgestellten Wandzeichnungen der Kinder. Großen Eindruck hinterließen die furchtbaren hygienischen Bedingungen im Lager.
Flankiert wurde der Besuch im angeschlossenen Bildungscenter der Gedenkstätte durch Workshops, die den Schülerinnen und Schülern einzelne Schicksale nahebrachten.
Der Besuch der Stadt Krakau eröffnete den Jugendlichen einen Blick auf das jüdische Leben: Bei einem geführten Stadtrundgang durch das heutige jüdische Viertel und das ehemalige jüdische Ghetto lauschten die Jugendlichen interessanten Details: Eine Synagoge und der jüdische Friedhof samt einer Klagemauer offenbarten interessante Einblicke in die jüdische Kultur.
Der Platz für die Helden des Ghettos mit seinen leeren Stühlen erzeugte die gewollte verstörende Wirkung.
Einen großen Effekt erzielten auch die noch vorhandenen Einschusslöcher aus dem Zweiten Weltkrieg in einem noch nicht restaurierten Gebäude.
Hoffnung verbreitete das Fabrikgebäude von Oskar Schindler, der mit seiner Liste viele Jüdinnen und Juden vor der Deportation gerettet hat.
Sehr begeisternd wirkte der Besuch in einem jüdischen Restaurant, in welchem parallel zu einem Drei-Gänge-Menu Klezmer-Musik live dargeboten wurde, wobei auch große Klassiker wie "Bei mit bistu shein" nicht fehlen durften.
Vorbereitet wurde die Fahrt im Unterricht, durch ein Online-Gespräch mit der Shoa-Überlebenden Ruth Melcer und durch eine Veranstaltung mit Gunda Trepp, die als Witwe des letzten Rabbiners während der nationalsozialistischen Zeit beeindruckende Erfahrungen und Kenntnisse über das Judentum vermitteln konnte.
Das Goethe-Gymnasium bedankt sich bei der Bundesstiftung, der Sanddorf-Stiftung, der Axel-Springer-Stiftung, der Firma Nolte und der Sparkasse für die sehr großzügige finanzielle Unterstützung und lobt zudem die Eigeninitiative der Schülerinnen und Schüler, welche im Vorfeld Kuchenverkäufe in Supermärkten durchgeführt haben, um diese nachhaltig in Erinnerung bleibende Fahrt nach Polen realisieren zu können.
Dirk Wippert