„Was bedeutet das für die Zusammenarbeit im EU-Parlament, wenn jetzt so viele Rechtspopulisten gewählt werden?“, fragt Emma Bertleff. Die Zehntklässlerin sitzt in einem Besprechungssaal des EU-Parlaments in Brüssel und schaut gespannt nach vorne zu Jutta Paulus. Die EU-Parlamentarierin zögert nicht und unterstreicht, dass die Zusammenarbeit dadurch viel schwieriger geworden sei. Leider zeige sich der Fraktionsvorsitzende der christlich-demokratisch-bürgerlich-konservativen Europäischen Volkspartei, der CSU-Politiker Manfred Weber, sehr offen, mit den Rechtspopulisten zu sprechen und zusammenzuarbeiten. Aus der Geschichte sollten die Deutschen jedoch gelernt haben. Vor der Machtergreifung der Nationalsozialisten hätten die Konservativen ebenfalls versucht, die Radikalen einzuhegen und zu kontrollieren, jedoch sei dies auch damals zum Scheitern verurteilt gewesen. Die Demokraten müssten ganz klare Kante gegen Extremisten zeigen.
Aber nicht nur das halbstündige Abgeordnetengespräch mit zahlreichen Fragen an die Grünen-Politikerin faszinierte die 30 Schülerinnen und Schüler des Johann-Wolfgang-Goethe-Gymnasiums während ihres Aufenthalts in der EU-Hauptstadt vom 31. Januar bis 2. Februar 2023, sondern auch das Geschehen im Plenarsaal des EU-Parlaments sowie die Besichtigung zahlreicher Sehenswürdigkeiten in der belgischen Metropole.
Sehr gute Vergleichsmöglichkeiten boten sich der Klasse 10a während ihres einstündigen Besuchs im Plenum: Die Beobachtungen, die die Zehntklässlerinnen und Zehntklässler während ihrer Berlin-Reise im Oktober 2022 im Deutschen Bundestag anstellen konnten, unterschieden sich teilweise deutlich von der Vorgehensweise im EU-Parlament. Rainer Wieland (CDU), einer der Vizepräsidenten des Parlaments, peitschte in einer unglaublichen Geschwindigkeit Abstimmungen durch das Parlament, viel schneller als im Deutschen Bundestag. Die nachfolgenden persönlichen Statements zur Einrichtung eines Europäischen Betriebsrats sowie zur Transparenz von politischer Werbung wirkten angesichts sehr wenig anwesender Abgeordneter wenig diskursiv, ganz anders als die Diskussion zum Bürgergeld im Bundestag im vollen Bundestag zur Prime Time am Donnerstagvormittag.
Sehr informativ wirkte der Besuch in der rheinland-pfälzischen Landesvertretung, in welcher den Zehntklässlerinnen und Zehntklässlern klargemacht wurde, wie wichtig die Interessensvertretung eines Bundeslands in der Nähe der entscheidenden Institutionen auf europäischer Ebene ist. Hanno Pfeil, der Leiter der „Botschaft“, erläuterte, dass das prächtige Haus in der Brüsseler Innenstadt auch für wichtige Treffen von Landespolitikerinnen und -politikern mit den unterschiedlichsten Gruppen zur Verfügung stehe.
Das Haus der europäischen Geschichte bot einen sehr ausführlichen Überblick über den europäischen Einigungsprozess und lieferte unterschiedliche Perspektiven auf Revolutionen, Industrialisierung, Nationalstaatsgründungen und Kriege. Beeindruckend wirkte das große Wahrzeichen Belgiens, das Atomium, sowie die weltberühmte Figur Manneken Pis. Der Grand Place entfaltete in der Dunkelheit durch die herausragende Beleuchtung seine große Attraktivität. Auf der Rückfahrt nach Germersheim nutzten die Schülerinnen und Schüler die Möglichkeit für ein kurzes Gespräch mit Reinhard Bütikofer, dem ehemaligen Parteivorsitzenden von Bündnis ´90 / Die Grünen und heutigen EU-Parlamentarier.
Das Goethe-Gymnasium dankt Jutta Paulus herzlich für die sehr großzügige Bezuschussung der Fahrt nach Brüssel, während die Klasse 10a auf eine sehr beeindruckende, unvergessliche und zusammenschweißende Reise zurückblicken kann.
Dirk Wippert