Die Landtagsabgeordneten Schleicher-Rothmund und Brandl beantworten Fragen der MSS 11
Was halten Sie davon, dass Donald Trump in so starkem Maße Politik über Twitter macht?“, will Melanie Sauther wissen. Die Schülerin der Jahrgangsstufe 11 stellt ihre Frage an diesem 9. November in der Gymnastikhalle des Johann-Wolfgang-Goethe-Gymnasiums Germersheim an zwei Landtagsabgeordnete, die die Politik der Region im vergangenen Jahrzehnt maßgeblich beeinflusst haben. Barbara Schleicher-Rothmund, Vizepräsidenten des rheinland-pfälzischen Landtags, und Martin Brandl, Parlamentarischer Geschäftsführer der CDU-Fraktion im Landtag, zeigen sich ein Jahr und einen Tag nach der Wahl des Republikaners zum 45. US-Präsidenten, nachdem der Schrecken über die Entscheidung der wahlberechtigten Bevölkerung in den Vereinigten Staaten weitgehend gewichen ist, imstande, das Phänomen Trump zu erklären und nehmen Stellung zu jenem ehemaligen Unternehmer, der weiterhin tagtäglich die Schlagzeiten in bislang unkonventioneller Weise beeinflusst: per Twitter.
Wie an jedem Schicksalstag der Deutschen, den der 9. November angesichts seiner vielschichtigen Bedeutung zweifelsohne darstellt, waren die Schülerinnen und Schüler zum Tag des politischen Gesprächs zusammenkommen, den der Landtag landesweit mit den Mandatsträgern veranstaltet. Nach einer kurzen Begrüßung durch Sozialkundelehrerin und Organisatorin Katharina Rinck stimmten die baldigen Abiturienten Maximilian Hampl und Jarno Rutschke die anwesenden Elftklässlerinnen und Elftklässler mit einem Saxophon-Duett auf die etwa neunzigminütige Veranstaltung ein. Mit „Klezmeron“ intonierten die beiden Dreizehntklässler ein jiddisches Stück, welches auch sinnbildlich für eine Dimension des 9. Novembers steht. Einige Schülerinnen der Klasse 10y verwiesen in einer kurzen thematischen Einführung, dass der 9. November sowohl für verhängnisvolle als auch glückliche Momente deutscher Geschichte im 20. Jahrhundert stehe. Der 9. November 1923 (Hitler-Putsch) und 1938 (Reichpogromnacht) blieben negativ in Erinnerung, während die Jahre 1918 (Ausrufung der ersten deutschen Demokratie) und 1989 (Mauerfall) positiv besetzt sind. Die Lehre aus der Gewalt, den Vorurteilen und der Angst, welche die sogenannte Kristallnacht geprägt hatten, und aus dem friedlichen Protest, des Volkswillen und der Veränderung, die den Anfang vom Ende des DDR-Regimes bedeuteten, sollte ein Appell für eine wehrhafte Demokratie mit einem gewaltfreien Miteinander und Werten wie Toleranz, Mut und Menschlichkeit erwachsen.
Frau Schleicher-Rothmund muss nicht lange überlegen: Twitter verkürze, Zwischentöne und Schattierungen blieben auf der Strecke. Das sei nicht angemessen für das Amt einer Weltmacht, vor allem wenn Entscheidungen über Twitter mitgeteilt würden, nicht nur Meinungen. Zudem sei auch das In-die-Kamera-Halten von Dekreten unseriös. Ihr konservativer Kollege pflichtet ihr bei: Spinner fänden im Internet Unterstützer, die ihnen das Gefühl gäben, Recht zu haben. Dies treffe auch auf die AfD und ihr „Wir sind das Volk zu“. Politik sei mehr als 280 Zeichen!
Katharina Johns Frage nach einer möglichen Reaktion der Bundesregierung im Konflikt zwischen den USA und Nordkorea beantworten beide Politiker mit einem Aufruf zur Besänftigung und Kompromissfindung. Martin Brandl unterstreicht das Verantwortungsbewusstsein der Bundesregierung. Schlimm wäre es, wenn Björn Höcke, der Vertreter des rechten AfD-Flügels, an der Macht wäre und populistisch einen Rundumschlag gegen Nordkorea fordern würde. Den Einzug der AfD in den Bundestag beurteilt der 36-jährige Rülzheimer aber als „demokratisch“ und beantwortet damit die Frage von Lisa Sauther. Das Programm der AfD sei dennoch zukunftsfeindlich, rechtspopulistisch und rückwärtsgewandt. Er sei sich sicher, dass nicht alle AfD-Wähler die Partei aufgrund ihres Programms gewählt hätten. Vielmehr seien Protest und Angst im Spiel gewesen. Die anderen Parteien seien gefordert, nun Zukunftsweisendes zu erarbeiten. Barbara Schleicher-Rothmund, die für die SPD seit 2001 im Landtag sitzt, sieht das Ergebnis der AfD mit Sorge. Es sei aber eine Fortsetzung eines europäischen Prozesses, ja sogar – angesichts Trumps – eines weltweiten Rucks nach rechts. Auch sie verweist auf die Protestwähler und darauf, dass vielfach keine sachliche, sondern eine emotionale Wahlentscheidung zugunsten der AfD und vergleichbarer Parteien getroffen worden sei. Nun müssten die etablierten Parteien wieder Emotionen wecken. Das gute Wahlergebnis der AfD in Germersheim, das Amatulmalek Al-Surabi erklärt bekommen möchte, sieht die aus Rheinzabern stammende Politikerin darin begründet, dass die Stadt immer schon viele Migranten gehabt habe und es immer leicht sei, Schuldige für die eigenen Ängste zu finden. Leider habe man teilweise Gebiete zugelassen, in denen es nur noch Migranten gebe und kein Austausch mehr stattfinden könne. Brandl unterstreicht, dass die Region sehr wohlhabend sei und es angesichts der Digitalisierung und Plänen wie dem Ende des Verbrennungsmotors zu Zukunftsängsten komme. Man müsse den Zugezogenen eine Heimat bieten.
Zu Julian Quells Frage nach der Sinnhaftigkeit einer Jamaika-Koalition im Bund äußert sich Brandl, der die CDU im Landtag seit 2009 vertritt, sehr positiv. Er sieht in dieser Regierung die Chance, Ökologie und Ökonomie zu verbinden. Es brauche eine stabile Bundesregierung. Dazu seien Kompromisse notwendig, die aber eingegangen werden müssten, da man nicht so lange wählen könne, bis es den Parteien gefalle. Für die Entscheidung der SPD, in die Opposition zu gehen äußert er Verständnis und auch seine sozialdemokratische Kollegin stellt auf eine Frage von Alexander Kohrmann hin klar, dass sich die SPD mit ihrem Schritt nicht verantwortungslos verhalten habe. Die SPD müsse nun ein Gegengewicht bilden. Die Oppositionsführerschaft dürfe der AfD nicht überlassen werden. Die GroKo sei eindeutig abgewählt worden. Die Jamaika-Parteien würden schon zueinander finden, auch wenn die CSU aufgrund der Landtagswahlen in Bayern erheblich unter Druck stehe.
Interesse weckt unter den 15- bis 17-Jährigen auch die aktuelle Politik der Europäischen Union. Sarah Diesterheft will wissen, was die deutsche Regierung gegen die Festnahme deutscher Staatsbürger in der Türkei tun könne. Schleicher-Rothmund fordert hierbei dringend, mit der Türkei im Dialog zu bleiben und auch oppositionelle Stimmen zu hören. Unter Umständen müssten finanzielle Konsequenzen gezogen werden, Zuschüsse und Zahlungen an die Türkei vermindert oder eingestellt werden. Die Meinungs- und Pressefreiheit müsse gewährleistet werden. Brandl verweist ergänzend auf den Rechtsstaat, der für jeden gelten müsse. Die Zukunft der EU, nach der Alexander Kohrmann fragt, sieht Brandl in einem Europa der verschiedenen Geschwindigkeiten oder in einem Kerneuropa, bei dem notfalls sieben bis zehn Staaten politisch voranschreiten müssten, während die restlichen Staaten lediglich wirtschaftlich zusammenarbeiten. Die EU berge angesichts von nicht sinnvollen Vorschriften große Defizite. Auch würden große Fragen der Außen-, Sicherheits-, Steuer- und Flüchtlingspolitik nicht befriedigend beantwortet. Dennoch sei sie ein großes Erfolgsprojekt für Frieden und Wohlstand, was Schleicher-Rothmund bestätigt. Zudem bedauert sie, dass manchem EU-Staat nicht klar sei, warum er Mitglied sei. Die deutsch-französische Achse müsse wiederbelebt werden. Weitere Beitritte stünden im Moment nicht an. Die Briten befänden sich nach dem Brexit in einer Sackgasse. Man dürfe ihnen nicht allzu weit entgegenkommen, da das Ausscheiden so populär gemacht würde.
Nach den Plänen, mehr Gefahrstoffe im US-Depot zu lagern und persönlichen Beweggründen für den Parteibeitritt, erkundigt sich Eugen Mazenko. Schleicher-Rothmund unterstreicht, dass spätestens seit Stuttgart 21 klar sei, dass man die Menschen in regionale Entscheidungsprozesse wie die große Expansion der Gefahrgütermenge im US-Depot besser einbinden müsse. Sie fordert die US-Armee zur Teilnahme an Infoveranstaltungen und zu größerer Transparenz gegenüber den deutschen Behörden auf und auch Brandl fordert eine kritische Prüfung durch die Kreisverwaltung. Das US-Depot sei deutsches Hoheitsgebiet. Während Brandl den direkten Weg vom Messdiener über den gemeinsamen Eintritt des politikinteressierten Freundeskreises in die Junge Union bis zum faszinierenden Geschichte-LK am GGG als logischen Eintritt in die CDU nennt, erzählt Schleicher-Rothmund von ihrer Herkunft aus einem sozialdemokratischen Elternhaus und dem Schlüsselereignis, dass 1998 im Kreis Germersheim die Kindergartenbeiträge erhöht wurden. Dies habe sie als ungerecht empfunden und habe beim damaligen Jugenddezernenten protestiert. In Folge dessen sei sie von der SPD angesprochen worden, bei den Kommunalwahlen zu kandidieren und sei dann auch aus der Motivation, Verantwortung für Kinder zu übernehmen, der Partei beigetreten.
Nach zahlreichen und sehr vielfältigen Fragen aus dem Plenum bedankte sich Lehrerin Katharina Rinck bei den Schülerinnen und Schülern für die angeregte Diskussion und bei den Landtagsabgeordneten für ihr Kommen. Das Goethe-Gymnasium Germersheim blickt auch in diesem Jahr auf die sehr gelungene Tradition der politischen Gespräche anlässlich des 9. November zurück und bedankt sich bei allen Beteiligten für ihr großes Engagement.
Dirk Wippert