„Doppeldeutigkeiten sind unprofessionell!“ – Landtagsabgeordnete diskutieren mit Leistungskursen Sozialkunde

Durch eine Frage fühlt sich der AfD-Abgeordnete ganz besonders herausgefordert: „Was stört Sie an Ihrer Partei am meisten?“, will die Elftklässlerin Sena Engin wissen. Matthias Joa zögert kurz und meint dann, dass jede Partei Leute anziehe, die besser nachdenken könnten. Auf die Nachfrage, an wen oder was er konkret denke, nennt Joa den Thüringer Landesvorsitzenden und einflussreichen „Flügel“-Vertreter Björn Höcke, dessen Doppeldeutigkeiten „unprofessionell“ und „dämlich“ seien. Diese ärgerten ihn und kosteten im Westen viel mehr Stimmen, als man im Osten gewinnen könne.

Mit ihrer Themensetzung hat Sena Engin einen Nerv getroffen, nicht nur bei Matthias Joa, dem Sprecher der AfD-Fraktion für Wirtschaft, Migration und Integration im rheinland-pfälzischen Landtag, sondern auch bei Martin Brandl, dem Parlamentarischen Geschäftsführer der CDU-Fraktion, der am 8. November 2019 ebenfalls in Raum 184 des Johann-Wolfgang-Goethe-Gymnasiums Germersheim sitzt und mit den 21 Schülerinnen und Schülern der Leistungskurse Sozialkunde aus den Jahrgangsstufen 11 und 12 diskutiert. Brandl nennt als Ziele, dass seine Partei jünger und weiblicher werden müsse.

Aber nicht nur durch Sena Engins Frage wurden die beiden Politiker während der neunzigminütigen Veranstaltung anlässlich des vom Landtag alljährlich organisierten „Tag des politischen Gesprächs“ zum 9. November herausgefordert, sondern durch viele weitere Themen. Den „Schicksalstag der Deutschen“, der 1923 mit dem Hitler-Putsch und 1938 mit der Reichspogromnacht sehr negativ besetzt ist, aber mit der Ausrufung der ersten deutschen Demokratie 1918 und der Revolution von 1989 auch sehr positiv in Erinnerung ist, erachteten beide Politiker als zu ambivalent, um ihn zum deutschen Nationalfeiertag zu machen. Lieber, so Brandl, solle dieser weiterhin als Gedenk- und Schulbesuchstag dienen.

Sophia Klosters Frage, weshalb sich die beiden für ihre jeweiligen Parteien entschieden hätten, beantwortete Brandl mit seinem sozialen Umfeld und einer konservativen Grundüberzeugung: Er wolle den Wandel so lange verhindern, bis er schmerzfrei ist. Joa unterstrich, er sei aus der CDU ausgetreten, weil diese immer linker geworden sei und alte Positionen in der Wehrpflicht und in der Atompolitik verändert habe. In der AfD fühle er sich besser repräsentiert, auch wenn er dadurch Freunde verloren habe. Dennoch gebe es in der CDU vernünftige und mutige Leute wie Friedrich Merz. Brandl billigte der AfD zu, den politischen Diskurs wiederbelebt zu haben, doch trage dieser zur Spaltung bei. Wichtig seien Kompromisse zur Weiterentwicklung des Landes und nicht Diskreditierungen und Beschimpfungen. Moral und Anstand müssten die Grundvoraussetzungen für die Meinungsfreiheit sein und nicht sprachliche Überschreitungen der Grenzen.

Emily Berge wollte wissen, ob die AfD nicht zu sehr rechtsextremen Positionen zuneige, worauf Joa die Haltung der AfD mit einer „Ur-Angst der Leute“ rechtfertigte, während Brandl der AfD vorwarf, dass es gerade die AfD sei, die die Angst schüre. Zahlreiche Zuhörer hinterfragten zudem die Sprache der AfD, die durch Begriffe wie „Kopftuchmädchen“ oder „Messermänner“ nicht Probleme beschreibe, sondern Vorurteile durch einen Frame befördere. Schulleiterin Ariane Ball forderte, dass Björn Höcke nach seiner politischen Karriere nicht ins Lehramt zurückkehren dürfe und hob hervor, dass am Goethe-Gymnasium kulturelle Vielfalt erfolgreich gelebt werde, woraufhin Joa einräumte, dass es zwar auch vernünftige Migranten gebe. Er warnte jedoch davor, dass noch sehr viel mehr Menschen nach Deutschland kommen könnten und die einheimische Kultur in Germersheim in die Minderheit geraten könnte. Brandl erwiderte, dass Panikmache zu nichts führe, sondern nur eine Politik, die Probleme löse.

Eine spannende Abschlussfrage stellte Florian Weis, der wissen wollte, wen die beiden Politiker gerne zum Kanzlerkandidaten gekürt sähen. Matthias Joa erklärte, die AfD werde niemanden aufstellen, er würde jedoch den Parteivorsitzenden Jörg Meuthen präferieren. Der CDU empfahl er Friedrich Merz. Martin Brandl machte deutlich, dass er bei der Wahl des Parteivorsitzenden Annegret Kramp-Karrenbauer unterstützt habe, diese sich jedoch viel geleistet habe, weshalb er abermals einen Dreikampf zwischen AKK, Friedrich Merz und Jens Spahn erwarte.

Nach zahlreichen und sehr vielfältigen Fragen aus dem Plenum bedankten sich die Leistungskurslehrer Katja Kuhfahl und Dirk Wippert bei den Schülerinnen und Schülern für die angeregte Diskussion und bei den Landtagsabgeordneten für ihr Kommen. Das Goethe-Gymnasium Germersheim blickt auch in diesem Jahr auf die sehr gelungene Tradition der politischen Gespräche anlässlich des 9. November zurück und bedankt sich bei allen Beteiligten für ihr großes Engagement.

 

Dirk Wippert

 

 

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