Tag des politischen Gesprächs – Matthias Joa besucht Leistungskurs Sozialkunde

Gespannt empfing der Leistungskurs Sozialkunde (MSS 11) am 27.11.2023 den mittlerweile fraktionslosen Landtagsabgeordneten Matthias Joa. Herr Joa stellte sich zunächst vor, indem er die wesentlichen Stationen seines politischen Werdegangs skizzierte: anfangs als CDU-Kommunalpolitiker, dann nach dem von ihm empfundenen Bruch mit konservativen Werten unter Angela Merkel sein Eintritt in die AfD 2013, sein Wirken in dieser Partei (seit 2016 als Landtagsabgeordneter) und zuletzt sein Austritt aus der AfD im Jahre 2021 und die Gründe dafür.

Die erste Frage eines Schülers bezog sich – thematisch passend – auf die jüngsten Wahlerfolge der AfD bei den Landtagswahlen in Hessen und Bayern und wie Herr Joa diese einschätze. Der Erklärungsansatz des MdL basierte darauf, Deutschland als ein von Krisen erschüttertes Land zu betrachten, sodass die AfD-Erfolge als Hilfeschrei abstiegsgefährdeter und mit Sprechverboten belegter Bürger zu verstehen seien. Der Nachfrage, welche Erklärung er in diesem Zusammenhang für die zunehmende Radikalisierung der gesellschaftlichen Mitte (vgl. „Mitte-Studie“ der Friedrich-Ebert-Stiftung) habe, wich er aus, indem er die Möglichkeit einer trennscharfen wissenschaftlichen Definition von Rechtsextremismus bezweifelte. Dieser Begriff diene lediglich der Diffamierung politischer Gegner. Dennoch gestand er ein, wegen erstarkter radikaler Kräfte innerhalb der AfD, besonders einiger ostdeutscher Landesverbände, der Partei den Rücken gekehrt zu haben, obwohl er sie weiterhin als seine eigentliche politische Heimat betrachte.

Es folgten Fragen zu Identitätspolitik („Ehe für alle“), Energiepolitik („CO²-Steuer, Klimaschutz und Klimawandel“) und Umweltschutz („Flächenversiegelung, Ausgleichsflächen“), die alle sinngemäß mit einem „Ja, aber…“ beantwortet wurden. Zwar seien Maßnahmen in diesen Politikfeldern sinnvoll, bzw. Ausdruck legitimer persönlicher Freiheit, insgesamt seien diese aber als Teil eines Kulturkampfes linker Parteien zu verstehen und daher in ihrer konkreten Ausgestaltung abzulehnen. Vor allem, dass Herr Joa seine Kritik explizit immer wieder auf die Partei „Die Grünen“ bezog, regte Widerstand bei einer Schülerin, die ihn mit einem Facebook-Eintrag aus dem Sommer 2023 konfrontierte, in dem er die Partei als „kommunistisch“ und „stalinistisch“ bezeichnete. Dieser Vergleich sei inhaltlich falsch und eine völlig unzulässige Übertreibung, die die Millionen Opfer (konkret wurde J. Stalins Holodomor genannt) verhöhne. Dem stimmte Herr Joa teilweise zu, dennoch seien auch solche Überspitzung im politischen Geschäft legitim.

Inwiefern der hohe Anteil an Wählerinnen und Wählern, beispielsweise in Germersheim, problematisch sei, wollte ein weiterer Schüler wissen. In seiner Antwort unterschied Herr Joa zunächst zwischen Migranten aus dem „eigenen“ Kulturkreis sowie aus anderen, vorwiegend muslimisch geprägten. Dennoch dürfe man diese Menschen nicht alle über einen Kamm scheren. Seine Forderung nach Ausweisung beispielsweise mit der Hamas sympathisierender Demonstranten in Berlin, erwies sich insofern als unrealistisch, als dass die meisten dieser Personen ohnehin deutsche Staatsbürger seien. Daher müsse vor der Einbürgerung eine Art „Gesinnungstest“ stattfinden, auch wenn man natürlich nicht in die Köpfe schauen könne, ohne wesentliche Freiheitsbeschränkungen der Bürger in Kauf zu nehmen, was ebenfalls abzulehnen sei.

Eine weitere Frage zielte auf seine Einschätzung dazu ab, wie Deutschland aussähe, wenn die AfD auf Bundesebene eine absolute Mehrheit erzielte. Hier hänge es sehr davon ab, wer in Zukunft die Richtung der Partei bestimme. Wären es die bürgerlichen Kräfte, würde ein „Horrorszenario“ mit Sicherheit ausbleiben. Für die nächste Bundesregierung wünsche er sich jedoch eine große Koalition oder eine Koalition zwischen einer gemäßigten AfD und den Unionsparteien. Dies wäre jedoch nur möglich, wenn die innerlich immer noch zerrissene CDU/CSU die wertkonservative Neuausrichtung fortführe. Dies sei aber alles andere als sicher.

Eine Frage zur Landespolitik thematisierte den kürzlich erfolgten Wechsel an der Fraktionsspitze der rheinland-pfälzischen AfD. Hier ging es nach Herrn Joas Einschätzung weniger um einen Richtungsstreit als um einen Machtkampf. Wäre er noch Mitglied der Fraktion, wäre die Wahl Jan Bollingers zum Fraktionsvorsitzenden jedenfalls nicht erfolgt, da es dann zu einer Pattsituation gekommen wäre. Dennoch wäre dieser nicht den radikalen Kräften innerhalb der Partei zuzuordnen.

Die abschließende Frage nach seiner persönlichen politischen Zukunft verband er mit Kritik am Parteienstaat, bzw. der damit verbundenen Fraktionsdisziplin, die einer wirklich unabhängigen Ausübung des freien Mandats (Art. 38, Abs. 1 GG) entgegenstehe. Insofern bedeute sein Parteiaustritt (realistisch betrachtet) das Ende seiner politischen Karriere, zumindest so lange in der AfD kein Richtungswechsel im Umgang mit Extremisten erfolge. Dies sei jedoch immer noch seine Hoffnung.

Ein herzlicher Dank geht an Herrn Joa für seine Bereitschaft zur Diskussion sowie an den Sozialkunde-Leistungskurs für die akribische Vorbereitung.

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